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Aus dem Programm

Viertes Werkstattgespräch: Vektoren und Gefahrstoffe

Das vierte Werkstattgespräch fand am 06. November 2024 von 14 bis 17 Uhr statt. Im ersten Teil ging es um biologische Gefährdungen wie Allergene oder durch Vektoren übertragene Infektionskrankheiten, die durch den Klimawandel verstärkt zum Problem werden können. Im zweiten Teil der digitalen Veranstaltung rückten chemische Gefährdungen in den Fokus, wie sie beispielsweise in neuen Verfahren der Kreislaufwirtschaft, im Zusammenhang mit neuen Technologien für die Energiewende oder bei energetischen Sanierungen auftreten können.

Der Klimawandel stellt vielfältige Anforderungen an den Arbeitsschutz. Im Werkstattgespräch „Vektoren und Gefahrstoffe“ haben die beteiligten Expertinnen und Experten betont, dass multi-, trans- und interdisziplinäre Ansätze verwirklicht werden müssen, um diesen Anforderungen zu entsprechen. Dieser Erkenntnis folgend wurde das Werkstattgespräch gemeinsam mit einem weiteren Fachreferat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales konzipiert und verantwortet: Dr. Romy Marx und Dr. Julia Sasse (Referat IIIb3 – „Chemikaliensicherheit, Biologische Sicherheit, Physikalische Einwirkungen“) führten gemeinsam mit Eva Schubert (Leiterin der Projektgruppe ARBEIT: SICHER + GESUND im Referat IIIb4) fachlich versiert durch das Programm des Nachmittags.

In beide Themenblöcke haben Dr. Julia Kropf als Moderatorin und Dr. Stefanie Bühn (KLUG e.V.) eingeführt. Dr. Bühn hat dabei einen Überblick zu den Rückmeldungen des Expertenkreises aus der Vorabfrage vorgestellt.

Biologische Gefährdungen: Neue Herausforderungen durch wärmeres Klima, globale Zusammenhänge sowie Futter- und Nahrungsmittel

Bereits der erste Themenblock adressierte vielfältige Herausforderungen: Im Impulsvortrag erklärte Prof. Dr. Monika Raulf (Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV), dass durch den Klimawandel eine Zunahme von allergischen Symptomen und auch beruflich bedingten Allergien zu erwarten seien – eine Herausforderung nicht nur für den Bevölkerungs-, sondern auch für den Arbeitsschutz. Sie zeigte die Auswirkungen längerer und intensiverer Pollensaisons auf die Gesundheit und Produktivität von Mitarbeitenden auf und gab Einblicke in neu auftretende Allergien in speziellen Bereichen – ausgelöst beispielsweise durch eingeschleppte Pflanzenarten, die durch das wärmere Klima in Deutschland heimisch werden, oder durch die Verwendung synthetischer Enzyme in der Futter- und Nahrungsmittelproduktion.

Silke Hopf (BAuA) lenkte in ihrem Impulsvortrag den Blick auf Gefährdungen durch Vektoren, also Überträgern von Krankheiten wie Zecken, Tigermücken oder auch Nagetieren, deren Verbreitung auch aufgrund klimatischer Veränderungen zunimmt. Durch den internationalen Reise- und Warenverkehr können sich in Deutschland krankheitsübertragende Insekten neu ansiedeln und heimisch werden, so Hopf. Vormals exotisch erscheinende Erkrankungen wie Dengue, Malaria und West-Nil-Virus gewinnen perspektivisch auch für Deutschland im Arbeitsschutz an Bedeutung. Sie erklärte, dass besonders im Freien Arbeitende sowie besonders schutzbedürftige Personengruppen (z. B. Schwangere) erhöhten Gefährdungen ausgesetzt seien.

Anschließend tauschten sich die Teilnehmenden in zwei Gruppen über die angesprochenen Themenbereiche aus. In der Diskussion zu Allergenen wurde deutlich, dass für Indoor- und Outdoor-Arbeiten unterschiedlich große Handlungsspielräume zum Schutz von Beschäftigten bestehen: Im Innenraum habe der Arbeitgeber technisch und organisatorisch mehr Möglichkeiten, Maßnahmen zu ergreifen (z. B. über die Deklaration von Allergenen in Kantinenmahlzeiten), wohingegen dies im Außenbereich schwieriger sei. Zudem wurde betont, dass allergische Reaktionen immer individuell betrachtet werden müssten, was allgemeine technische und organisatorische Maßnahmen schwieriger mache. Beim Thema Vektoren lautete die gute Nachricht: Etwas Zeit zur Vorbereitung, Forschung und Entwicklung von Schutzmaßnahmen bleibt noch. Es gebe Ansätze, um die Ausbreitung von Vektoren zumindest zu verlangsamen. Perspektivisch müssten aber auch hier neue Wege gefunden werden, Beschäftigte vor allem mit technischen und organisatorischen Maßnahmen besser vor neuen Gefahren zu schützen. In diesem Zusammenhang sollten auch Monitoring- und Forschungsaktivitäten intensiviert werden.

Chemische Gefährdungen: Anpassungen auf den Klimawandel erfordern auch Anpassungen im Arbeitsschutz

Nach einer kurzen Pause ging es weiter zum zweiten Schwerpunktthema: Chemische Gefährdungen. Dabei standen vor allem die Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft sowie neuer Industriezweige wie der Batterieproduktion und -aufarbeitung im Fokus. Den thematischen Einstieg machte Nora Sophie Griefahn (Cradle to Cradle NGO). In ihrem Kurzvortrag „Arbeitssicherheit by Design“ führte sie aus, wie im Zuge eines echten Kreislaufdenkens Rohstoffe und Materialien sowie Verarbeitungs- und Wiederaufbereitungsprozesse neu konzipiert werden können, um von Anfang an Arbeits-, Umwelt- und Klimaschutz mit einzubeziehen. Die Herausforderungen des Klimawandels erfordern ein Umdenken – sowohl in Bezug auf Geschäftsmodelle als auch in Bezug auf Produkte und Produktionsprozesse.

Dr. Rolf Packroff (BAuA) beleuchtete in seinem Impuls die Arbeitsschutz-Herausforderungen der Energiewende sowie Veränderungen in der Chemieproduktion. Als Regulierungsrahmen stellte er das OECD-Konzept für sichere und nachhaltige Innovation vor. Anschließend ging er auf ein konkretes Beispiel ein, das eine Herausforderung bei der Regulierung von neuen, innovativen Technologie- und Industriebereichen aufzeigt: Arbeitsschutzdefizite beim Umgang mit dem krebserregenden Gefahrstoff Kobalt im Batterierecycling. Arbeitsschutz solle bei der Planung neuer Fabriken und Arbeitsstätten selbstverständlich mitgedacht werden. Er schloss mit der Feststellung, dass aktuell noch Regelungsunklarheiten geklärt werden müssen und Unternehmen der Kreislaufwirtschaft bessere und verlässlichere Informationen darüber brauchen, welche potenziell gefährlichen Stoffe in den von ihnen aufgearbeiteten Produkten vorhanden sind.

In der anschließenden Diskussion mit dem Expertenkreis wurde betont, dass die Einhaltung und Übertragung bereits vorhandener Regularien und Erfahrungen in neue Bereiche entscheidend seien. Grundsätze wie die Verhältnisprävention und das STOP-Prinzip sollten auch bei neuartigen Prozessen und in neuen Industrien beachtet werden. Auch der Kommunikation komme eine hohe Bedeutung zu: Bestehende und neue Erkenntnisse zu Gefahrstoffen und Schutzmöglichkeiten müssen Betrieben zugänglich sein und auch betroffene Beschäftigte müssen durch klare Kommunikation verstehen, warum die Einhaltung von Maßnahmen ihrer Gesundheit und Leistungsfähigkeit nutzt. Das Denken in Materialkreisläufen erfordere einen ganzheitlichen Blick – biete aber auch die Chance, Gefährdungen für Menschen mit dem Schutz von Umwelt und Klima in Einklang zu bringen.

Innovation und Kreativität nutzen, Bekanntes anwenden

Abschließend rekapitulierten Eva Schubert, Dr. Romy Marx und Dr. Julia Sasse die Inhalte und Diskussionen des Werkstattgesprächs. Um neuen Gefährdungen, vor allem im Bereich der biologischen Stoffe, Allergene und durch Vektoren übertragene Erkrankungen zu begegnen, brauche es Innovation und Kreativität. Das bedeutet: bekannte Lösungen adaptieren, neue Gefährdungen erforschen und auch innovative Wege zum effektiven Schutz von Beschäftigten gehen. Im Bereich der chemischen Gefährdungen ist bereits viel Wissen und Erfahrung vorhanden, um auch die in neu entstehenden Industriezweigen arbeitenden Menschen effektiv vor Gesundheitsschäden schützen zu können. Nun ginge es darum, dieses Wissen und bewährte Regeln konsequent in Anwendung zu bringen und in der Übertragung auf neue Bereiche die Chance zu nutzen, dass Innovation durch Sicherheit unterstützt, statt gebremst wird.

Ausblick: Abschlussveranstaltung und Sonderveranstaltung Kreislaufwirtschaft

Mit diesem vierten Werkstattgespräch ist die Arbeit zur Politikwerkstatt noch nicht abgeschlossen. Eva Schubert gab einen Ausblick: Aktuell arbeite das BMAS daran, die umfangreichen Erkenntnisse, Impulse und Standpunkte der Politikwerkstatt auszuwerten, Ableitungen zu ziehen und Schwerpunkte zu setzen. Es sei noch klarer geworden, dass die Herausforderungen vielfältig sind und es zwar diverse Ansätze und Ideen gibt, aber auch noch nicht überall fertige Lösungen, die sofort umsetzbar sind. Erste praktische Impulse seien bereits gesetzt, beispielsweise indem die Arbeitsschutzperspektive in einer länder- und ressortübergreifenden geplanten Krisenmanagementübung zum Thema „Dürre und Hitzewelle“ eingebracht werden konnten.

Um die Politikwerkstatt „Klima wandelt Arbeit“ im Zusammenhang Revue passieren zu lassen, betriebliche Erfahrungen und überzeugende Schutzkonzepte vorzustellen sowie zur weiterführenden Vernetzung und Diskussion, ist am 12. Februar 2025 eine Abschlussveranstaltung geplant, zu der der Expertenkreis herzlich nach Berlin eingeladen ist.