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Arbeitskräftesicherung in der Gebäudereinigung

Das Reinigen von Gebäuden und Verkehrsflächen findet meist „unsichtbar“ in Randzeiten und unter hohem Zeitdruck statt. Arbeitskräfte werden in der Branche händeringend gesucht. Im Rahmen von ASUG hat das BMAS einen sozialpartnerschaftlichen Dialog angestoßen, in dem die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV) Lösungen suchen, um die Reinigungstätigkeit so attraktiv und zukunftsfähig zu gestalten.

Die Gebäudereinigungsbranche beschäftigt knapp 700.000 Menschen. Der Tarifmindestlohn liegt derzeit bei 14,25 EUR und damit über dem aktuellen gesetzlichen Mindestlohn von 12,82 Euro. Dennoch fällt es bereits heute vielen Betrieben schwer, genügend Arbeitskräfte zu finden. Nach der derzeit gängigen Vergabepraxis erhält den Zuschlag oft die Firma, die den niedrigsten Preis anbietet. Das kann zu unrealistischen Einsatzzeiten und belastenden Arbeitsbedingungen wie hohen Zeitdruck für die Reinigungskräfte führen. Arbeitszeiten in den Randzeiten (also früh morgens und abends) können die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren. Ein geringes gesellschaftliches Ansehen der Tätigkeit sowie eine oft fehlende Wertschätzung in der täglichen Arbeit vor Ort sind zusätzliche Herausforderungen für die Beschäftigten und die Betriebe die nach Mitarbeitenden suchen.

Eine im Auftrag des BMAS durchgeführte repräsentative Studie zur Verteilung der Arbeitszeit in der Gebäudereinigung zeigt, dass eine Ausweitung der Tagesreinigung den Arbeitskräftemangel in der Branche mindern könnte.

Gemeinsames Sozialpartnerprojekt für eine attraktive und zukunftsfähige Arbeitsgestaltung in der Gebäudereinigungsbranche

Arbeitskräfte durch eine attraktive, beschäftigtenfreundliche Arbeitsgestaltung für heute und morgen sichern – das liegt gleichermaßen im Interesse der Gebäudedienstleister und der Gewerkschaft. Und im Interesse aller anderen in Deutschland; denn ohne Gebäudereinigung gibt es keine sauberen Schulklassen, Arztpraxen, Einkaufszentren, Bibliotheken oder Büros.

Deshalb hat das Ministerium die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und den Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV) zu einem Austauschprozess eingeladen. Gemeinsam starteten die Sozialpartner im Februar 2024 einen intensiven Dialog zu Handlungsfeldern und Ideen, die eine attraktive und zukunftsfähige Arbeitsgestaltung ermöglichen und die Arbeitskräftesicherung wirkungsvoll unterstützen.

Aktuelle Dialogthemen sind die Potenziale der Tagesreinigung, faire Praxis bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, eine gesteigerte Wertschätzung gegenüber den Basisarbeitenden an den Einsatzorten und in der Öffentlichkeit sowie eine Willkommenskultur für jene, die neu in Deutschland sind und einen Einstieg in den Arbeitsmarkt suchen.

Im Interview berichten Zeynep Bicici (IG BAU) und Wolfgang Molitor (BIV), was Arbeitnehmende aus ihrer Sicht für eine attraktive und zukunftsfähige Gebäudereinigungsbranche benötigen und welche Herausforderungen aktuell für Arbeitgebende bestehen.

Es gibt bereits gute Ansätze aus der Praxis

Um den verschiedenen Herausforderungen in der Branche der Gebäudereinigung zu begegnen, gibt es bereits gute Beispiele aus der Praxis. So zeigt ein Modell aus Mecklenburg-Vorpommern, dass eine Umstellung auf Tagesreinigung auch bei laufenden Verträgen in öffentlichen Vergaben möglich ist. Dort hat das Finanzministerium im Jahr 2023 die Reinigung in den Landesliegenschaften überwiegend während der regulären Geschäftszeiten eingeführt. Durch dieses Verfahren möchte das Land die Arbeit attraktiver machen und ein besseres gegenseitiges Verständnis aufgrund der Sichtbarkeit der Reinigung und Reinigungskräfte herbeiführen.

Auch die Hansestadt Hamburg geht mit positivem Beispiel voran: Die Stadt hat vor mehreren Jahren ihre Vergabepraxis in der Gebäudereinigung umstrukturiert. Neben der Leitstelle Gebäudereinigung mit entsprechender Fachexpertise wurden hier einheitliche Reinigungsstandards für alle öffentlichen Gebäude eingeführt. Im Auswahlverfahren werden Angebote von Reinigungsdienstleistern gleichermaßen nach Preis und Qualität bewertet. Zudem erfolgen regelmäßige Prüfungen von Arbeitsschutz, Arbeitsrecht und Qualität. Diese Maßnahmen haben zu einer gesteigerten Attraktivität und zu einem besseren Ansehen der Arbeit als Gebäudereinigungskraft geführt. Zusätzlich hat sich der Werterhalt der Gebäude verbessert. Zum ausführlichen Praxisbeispiel geht es hier

Das Beispiel aus Hamburg stand auch beim 11. Deutschen Vergabetag, dem Jahreskongress für öffentliches Beschaffungswesen und Vergaberecht, in der Diskussion. In einem von BIV und IG BAU organisierten Workshop unter dem Titel „100% Preis, aber wo bleibt die Qualität? Neue Wege für ein faires und qualitätssicherndes Vergabeverfahren in der Gebäudereinigung“ stellte Kai Rieckmann (Zentrale Vergabestelle der Finanzbehörde Hamburg) das Verfahren vor. Im Anschluss sprach er mit Oliver Kühnel, Obermeister der Landesinnung Nordost und Geschäftsführer von Marling Gebäudeservice, über die Erfahrungen aus der Praxis.

Den Workshop, der am 14. November 2024 in Berlin stattfand, nutzten Andrea-Simone Johannes (BIV) und Renate Wapenhensch (IG BAU) als Anlass, um den Dialog der Sozialpartner in der Gebäudereinigung und seine Ziele vorzustellen. Im Fokus lag die verantwortungsvolle Vergabepraxis als wichtiger Hebel neben familienfreundlichen Arbeitszeiten und einer gesteigerten Wertschätzung für die Reinigungsarbeit.

Forschungsstudie: Verteilung der Arbeitszeit und Umfang der Tagesreinigung in der Gebäudereinigungsbranche

In der Studie wurden die Arbeitszeiten und das Arbeitsmodell der Tagesreinigung untersucht und dafür 271 Gebäudereinigungsunternehmen befragt. Die Ergebnisse sind für die gesamte Gebäudereinigungsbranche repräsentativ. Sie zeigen eine weite Verbreitung von Tagesreinigung sowie Reinigung in Randzeiten (früh morgens und abends). Unternehmen, in denen die Beschäftigten überwiegend zu Rand- und Nachtzeiten reinigen, erleben eine höhere Personalfluktuation. Etwa drei Viertel der Gebäudereinigungsunternehmen bewerten Tagesreinigung positiv. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Beispielsweise entspricht die Tagesreinigung aus Sicht der Unternehmen überwiegend den Arbeitszeitwünschen der Reinigungskräfte. Wenn Beschäftigte tagsüber reinigen können, wird oft eine höhere Anzahl von Arbeitsstunden möglich. Und fast 80% der Unternehmen verbinden mit der Tagesreinigung eine höhere Kundenzufriedenheit. Die Befunde deuten darauf hin, dass eine Ausweitung der Tagesreinigung den Arbeitskräftemangel in der Branche mindern könnte. Vielleicht deswegen geben über zwei Drittel der Gebäudereinigungsunternehmen an, dass sie die Anforderung von Tagesreinigung in Ausschreibungen begrüßen bzw. solche Vergabeverfahren bevorzugen würden.

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