Keine Frage: Die Menschen, die mit ihrer Arbeit tagtäglich unsere Gesellschaft am Laufen halten, verdienen eine Menge Respekt. Für die eigene Arbeit geschätzt zu werden, gehört zu guten Arbeitsbedingungen dazu – und ist wichtig, um im Job physisch und psychisch gesund zu bleiben. Wie Unternehmen Basisarbeit leistenden Mitarbeitenden den angemessenen Respekt zeigen und diesen steigern können, will das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „ORBiT“ herausfinden.
Respekt für Basisarbeit – das Projekt „ORBiT“
„ORBiT“ steht für „Organisationaler Respekt und Basisarbeit in Zeiten der Transformation“, das Vorhaben wird im Rahmen des Programms „ARBEIT: SICHER + GESUND“ vom BMAS gefördert. Durchgeführt wird es von einem Partner-Konsortium, angeführt durch das BGF-Institut. Wir stellen hier das Projekt und das BGF-Institut einmal genauer vor.
Über das BGF-Institut: Expert*innen für gesundes Arbeiten
Das Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung BGF GmbH (BGF-Institut) beschäftigt sich bereits seit 1996 damit, wie präventive Maßnahmen dazu beitragen, Arbeit langfristig gesund zu gestalten. Hier wird geforscht, umgesetzt und beraten: Hauptaufgabe des Instituts ist es, Unternehmen bei der Einrichtung betriebsspezifischer Gesundheitsprogramme zu beraten und zu unterstützen. Das wissenschaftliche Knowhow dazu ist direkt mit an Bord. 100 Mitarbeitende aus den Bereichen Ergonomie, Sportwissenschaft, Oecotrophologie, Arbeits- und Organisationspsychologie, Gesundheitspädagogik, Sozialwissenschaften und Betriebswirtschaft bringen ihre Expertisen ein. Als An-Institut der Deutschen Sporthochschule Köln ist das BGF-Institut außerdem gut mit der Wissenschafts-Community vernetzt und setzt anwendungsorientierte Forschungsprojekte zu Themen des betrieblichen Gesundheitsmanagements um. Das BGF-Institut ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der AOK Rheinland/Hamburg.
„Das Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung begleitet branchenübergreifend Unternehmen in der Umsetzung von BGM-Prozessen (BGM: betriebliches Gesundheitsmanagement; Anm.d. Red). Etwa ein Fünftel aller Beschäftigten in den von uns betreuten Unternehmen sind als Basisarbeitende tätig. Diese Zielgruppe müssen wir im Betrieblichen Gesundheitsmanagement stärker in den Blick nehmen, da deren Arbeitsbedingungen häufig körperlich und psychisch sehr belastend sind. Die Erkenntnisse aus dem Projekt werden über die BGM-Berater*innen der GKVn und weitere Sozialversicherungsträger sowie Netzwerkpartner bundesweit die Unternehmen erreichen. Es geht darum, faire und respektvolle Arbeitswelten für Basisarbeitende zu gestalten, die systemrelevant sind und nicht die Wertschätzung und Anerkennung erhalten, die ihnen gebührt“, sagt Dr. Birgit Schauerte, Leiterin des Projekts und Teamleiterin Forschung und Entwicklung beim BGF-Institut.
Auch die enge Verbindung zur AOK Rheinland/Hamburg macht das Institut zu einem unverzichtbaren Partner, wenn es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und damit auch der Gesundheit von Beschäftigten in Basisarbeit geht. Denn ein großer Teil der in Basisarbeit beschäftigten ist bei der AOK krankenversichert. Das BGF-Institut hat somit auch über seine Muttergesellschaft einen guten Zugang zu der Beschäftigtengruppe und den Betrieben im Bereich Basisarbeit. Nah an der Gruppe dran zu sein, viel über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen zu wissen, erleichtert das Erreichen der Projektziele.
Für das Projekt ORBiT bildet das BGF-Institut ein Konsortium mit dem BIT e.V. (Berufsforschungs- und Beratungsinstitut für interdisziplinäre Technikgestaltung) und dem ddn (Das Demographie-Netzwerk e.V.), die zusätzliche Expertise im Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie in der Öffentlichkeits- und Transferarbeit beisteuern. Darüber hinaus bringen weitere assoziierte Partner ihre Expertisen in das Projekt ein, darunter der BIEK – Bundesverband Paket und Express Logistik, die Offensive Mittelstand, der VDSI Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit, der AOK Bundesverband und die AOK Rheinland/Hamburg.
Respekt für Basisarbeitende – was bedeutet das konkret?
Mit dem Projekt „ORBiT - Organisationaler Respekt und Basisarbeit in Zeiten der Transformation“ wollen das BGF-Institut und seine Konsortiums-Partner mehr darüber herausfinden, wie sich Respekt für Basisarbeitende ausdrückt – und wie er in Unternehmen gesteigert werden kann. Und das konkret im Betrieb in der Zusammenarbeit mit Kollegen, Vorgesetzten sowie Kundinnen und Kunden: Was macht einen respektvollen Umgang aus? Was bedeutet das für Arbeitsbedingungen, unter denen Menschen sich respektiert fühlen? Für Gesundheitsschutzmaßnahmen, für Gehalt, für Informationen und Dialog?
Denn Respekt zeigt sich nicht allein auf zwischenmenschlicher Ebene, sondern fußt darauf, wie Unternehmen und Führungskräfte mit Mitarbeitenden umgehen. Was dieser „organisationale Respekt“ bedeutet, beschreibt Dr. Birgit Schauerte: „Organisationaler Respekt beschreibt zunächst einen wertschätzenden Umgang miteinander im Unternehmen. Hierzu gehören u.a. Anerkennung, Fairness, Offenheit, Vertrauen und soziale Unterstützung. Neben diesen weichen Indikatoren heißt Respekt auch, dass Unternehmen für gesunde und sichere Arbeitsbedingungen sorgen, indem geeignete Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden und Arbeitsbedingungen sowie die Arbeitsorganisation beteiligungsorientiert gestaltet werden. Darüber hinaus gehören Entwicklungsperspektiven und der gleichberechtigte Zugang zu BGF-Maßnahmen und Arbeitsschutz zu einem respektvollen Umgang. Insgesamt geht es darum, die Unternehmenskultur und die Haltung des Managements hin zu einem wertschätzenden, fairen und respektvollen Umgang zu fördern.“
Auf der systematischen Suche nach Faktoren für organisationalen Respekt
Im Projekt möchte das BGF-Institut organisationalen Respekt nicht nur abstrakt beschreiben, sondern ihn konkret messbar machen und Wege aufzeigen, Respekt zu steigern. Von Anfang an setzt das Projekt auf einen engen Austausch mit der Praxis: Das Projektteam hat mehrere Unternehmen aus der Kurier-, Express- und Paketbranche, der Gebäudereinigung und der Zeitarbeit als Partner gewonnen und beteiligt.
Zunächst untersuchen die Forscher*innen, welche Indikatoren organisationalen Respekt beschreiben können, zum Beispiel die Vergütung, Anerkennung, ein Gefühl der Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit, die gute Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Teilhabe an Gesundheits- und Arbeitsschutzmaßnahmen und Gesundheitsförderung, die Haltung der eigenen Führungskräfte oder Entwicklungsperspektiven. Aus diesen Indikatoren entwickeln die Forschenden ein Screeningverfahren, anhand dessen organisationaler Respekt auf Unternehmensebene systematisch bewertet werden kann. Das Gefühl mangelnder Anerkennung wird mit diesen Indikatoren objektiviert und kann, falls die Indikatoren mangelnden Respekt gegenüber bestimmten Gruppen, Teams oder Abteilungen zeigen, bearbeitet werden. Das Screening-Verfahren kommt direkt in den Partner-Unternehmen zur Anwendung. In enger Zusammenarbeit screent das BGF-Institut dort die Voraussetzungen für Basisarbeitende in den Organisationen.
Zusätzlich werten die Expert*innen des BGF-Institut die bestehenden Rahmenbedingungen aus Gesetzen und Verordnungen speziell für Basisarbeit systematisch aus und erarbeiten einen Überblick über die bisherigen Aktivitäten der Sozialversicherungsträger in diesem Feld. So entsteht ein umfassender Katalog, anhand dessen auch die Expert*innen in der Politikwerkstatt Empfehlungen für eine sichere und gesunde Basisarbeit diskutieren können. Bereits bewährte Interventionen und Tools zu Gefährdungsbeurteilung und betrieblicher Gesundheitsförderung fließen mit in die Bewertungsindikatoren für organisationalen Respekt ein.
Klarer Kurs in Richtung Respekt: Die Respect-Map als Wegweiser
Mit den Ergebnissen geht es in den Austausch: In Workshops gemeinsam mit Stakeholdern aus dem Management, Basisarbeitenden, Führungskräften, Betriebsrät*innen und Verantwortlichen für betriebliches Gesundheitsmanagement wird nach Veränderungs- und Verbesserungspotenzialen gesucht. Wo lassen sich Stellschrauben drehen? Welche Maßnahmen können Betriebe ergreifen, um Basisarbeitenden mehr Respekt zu zeigen und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen zu schaffen?
„Im gesamten Prozess wird die Partizipation, als Kernelement der Gesundheitsförderung gelebt und die Basisarbeitenden sowie Führungsebene bei der Entwicklung und Umsetzung beteiligt“, betont dazu Dr. Birgit Schauerte.
Diese Potenziale und Wege zu ihrer Umsetzung fließen ein in „Respect Maps“: Sie zeigen Pfade auf, wie Unternehmen den Respekt für Basisarbeitende steigern können. Das Projektteam des BGF-Instituts will im nächsten Schritt die Respect Maps durch Interviews mit Expert*innen für Basisarbeit aus Politik, Wissenschaft und Forschung vertiefen und erweitern. Und auch an die parallel zum Projekt laufenden Politikwerkstätten des BMAS wird es eine enge Anbindung geben – das ORBiT-Projekt will kontinuierlich Knowhow, Ideen und Impulse mit den Teilnehmenden der Politikwerkstatt austauschen. Zum Ende des derzeitig 12-monatigen Projektzeitraums stehen den beteiligten Partner-Unternehmen dann Prototypen der spezifisch für sie erstellten Respect Maps zur Verfügung.
Konkrete und übertragbare Ergebnisse
Die Zielsetzung des Projekts ist klar: Mehr Anerkennung, mehr Zufriedenheit, bessere Arbeitsbedingungen und ein Erhalt der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit für Basisarbeitende. ORBiT soll dabei mit dem Screening-Prozess und den Respect-Maps zwei konkrete Werkzeuge entwickeln, um systematisch organisationalen Respekt zu erfassen und zu steigern.
Im engen Austausch mit den breiten Netzwerken des BMAS sollen die Ergebnisse des Projekts ihren Weg in die Fläche finden und Wirkung für möglichst viele Menschen entfalten. Zum einen in Fachdialogen und mit Handlungsempfehlungen für Betriebe, Verbände und Politik, zum anderen mit bewusst niedrigschwelligen Kommunikationsmitteln für den Einsatz in Betrieben.
Insbesondere für die Basisarbeitenden werden motivierende und wertschätzende Ansprachekonzepte entwickelt, die mit dem Einsatz von einfacher Sprache und Übersetzungen auch Sprachbarrieren überwinden.
Und die Relevanz, bessere Arbeitsbedingungen für möglichst viele Basisarbeitende zu erreichen, ist hoch: Vor dem Hintergrund eines längeren Erwerbslebens und eines in vielen Branchen und Regionen angespannten Arbeitsmarktes ist der Erhalt der Arbeitsfähigkeit ihrer Beschäftigten für eine zunehmende Zahl von Betrieben und Verwaltungen ein wichtiges Ziel. Die öffentliche Debatte wird allerdings unter der Überschrift „Fachkräftemangel“ geführt und läuft Gefahr, den Mangel an Beschäftigten in Tätigkeitsfeldern der Basisarbeit zu übersehen. Auch viele betriebliche Maßnahmen (Weiterbildung, Coaching, BGF und BGM) konzentrieren sich auf Fach- und Führungskräfte. Das Projekt ORBiT kann Impulse geben und Instrumente entwickeln, die Beschäftigten in Tätigkeiten der Basisarbeit im Betrieb mehr Anerkennung und Wertschätzung vermitteln. Diese Beschäftigtengruppe gezielt anzusprechen, zu fördern, motivieren und unterstützen, ist ein wichtiges Ziel im Programm ARBEIT: SICHER + GESUND.
Mehr Informationen finden Sie auf der Webseite des BGF-Instituts.
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