Ungünstige Arbeitszeiten, hoher Leistungsdruck und wenig Wertschätzung sind einige Gründe, warum die Gebäudereinigungsbranche händeringend nach Arbeitskräften sucht. Im Rahmen des Programms ARBEIT: SICHER + GESUND (ASUG) hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen sozialpartnerschaftlichen Dialog angestoßen, in dem die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV) Lösungen suchen, um die Reinigungstätigkeit attraktiver und zukunftsfähiger zu gestalten.
Der Sozialpartnerdialog in der Gebäudereinigungsbranche
Die Gebäudereinigungsbranche beschäftigt über 650.000 Menschen, das sind etwa 1,5 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland. Der Tarifmindestlohn liegt derzeit bei 14,25 Euro und damit über dem aktuellen gesetzlichen Mindestlohn von 12,82 Euro (Stand: November 2025).
Dennoch fällt es bereits heute vielen Betrieben schwer, genügend Arbeitskräfte zu finden. Nach der derzeit gängigen Vergabepraxis erhält oft die Firma, die den niedrigsten Preis anbietet, den Zuschlag. Das kann zu unrealistischen Einsatzzeiten und belastenden Arbeitsbedingungen wie hohem Zeitdruck für die Reinigungskräfte führen. Arbeitszeiten in den Randzeiten, also früh morgens und abends, können die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren. Ein geringes gesellschaftliches Ansehen der Tätigkeit sowie eine oft fehlende Wertschätzung in der täglichen Arbeit vor Ort sind zusätzliche Herausforderungen für die Beschäftigten und die Betriebe, die nach Mitarbeitenden suchen.
Gemeinsam für eine attraktive und zukunftsfähige Arbeitsgestaltung in der Gebäudereinigungsbranche
Arbeitskräfte durch eine attraktive, beschäftigtenfreundliche Arbeitsgestaltung für heute und morgen sichern – das liegt im Interesse der Gebäudedienstleister und der Gewerkschaft gleichermaßen, und kommt letztendlich der gesamten Gesellschaft in Deutschland zugute. Denn ohne Gebäudereinigung gibt es keine sauberen Schulklassen, ärztliche Praxen, Einkaufszentren, Bibliotheken oder Büros.
Deshalb hat das BMAS die Industriegewerkschaft IG BAU und den Bundesinnungsverband BIV zu einem Austauschprozess eingeladen. Gemeinsam starteten die Sozialpartner im Februar 2024 einen intensiven Dialog zu Handlungsfeldern und Ideen, die eine attraktive und zukunftsfähige Arbeitsgestaltung ermöglichen und die Arbeitskräftesicherung wirkungsvoll unterstützen.
Die Schwerpunktthemen im Dialog
- Potenziale der Tagesreinigung,
- faire Praxis bei der Vergabe öffentlicher Aufträge,
- gesteigerte Wertschätzung gegenüber den Basisarbeitenden an den Einsatzorten und in der Öffentlichkeit,,
- professionelle Einweisung und Ausstattung,
- eine höhere Inanspruchnahme von Weiterbildung und Entwicklungsmöglichkeiten sowie
- eine Willkommenskultur für jene, die neu in Deutschland sind und in der Gebäudereinigung einen Einstieg in den Arbeitsmarkt gefunden haben.
Stimmen aus dem Dialogprozess
Im Interview berichten Zeynep Bicici (IG BAU) und Wolfgang Molitor (BIV), was Arbeitnehmende aus ihrer Sicht für eine attraktive und zukunftsfähige Gebäudereinigungsbranche benötigen und welche Herausforderungen aktuell für Arbeitgebende bestehen.
Es gibt bereits gute Ansätze aus der Praxis
Um den verschiedenen Herausforderungen in der Branche der Gebäudereinigung zu begegnen, gibt es bereits gute Beispiele aus der Praxis. So zeigt ein Modell aus Mecklenburg-Vorpommern, dass eine Umstellung auf Tagesreinigung auch bei laufenden Verträgen in öffentlichen Vergaben möglich ist. Dort hat das Finanzministerium im Jahr 2023 in den Landesliegenschaften die Reinigung überwiegend während der regulären Geschäftszeiten eingeführt. Durch dieses Verfahren möchte das Land die Arbeit attraktiver machen und ein besseres gegenseitiges Verständnis durch Sichtbarkeit der Reinigung und Reinigungskräfte herbeiführen.
Auch die Hansestadt Hamburg geht mit positivem Beispiel voran: Die Stadt hat vor mehreren Jahren ihre Vergabepraxis in der Gebäudereinigung umstrukturiert. Neben der Leitstelle Gebäudereinigung mit entsprechender Fachexpertise wurden hier einheitliche Reinigungsstandards für alle öffentlichen Gebäude eingeführt. Im Auswahlverfahren werden Angebote von Reinigungsdienstleistern gleichermaßen nach Preis und Qualität bewertet. Zudem erfolgen regelmäßige Prüfungen von Arbeitsschutz, Arbeitsrecht und Qualität. Diese Maßnahmen haben zu einer gesteigerten Attraktivität und zu einem besseren Ansehen der Arbeit als Gebäudereinigungskraft geführt. Zusätzlich hat sich der Werterhalt der Gebäude verbessert.
Forschungsstudie: Verteilung der Arbeitszeit und Umfang der Tagesreinigung in der Gebäudereinigungsbranche
Begleitend zu den Aktivitäten im Sozialpartnerprojekt wurde die Studie „Verteilung der Arbeitszeit und Umfang der Tagesreinigung in der Gebäudereinigungsbranche“ durchgeführt. In der Studie wurden die Arbeitszeiten und das Arbeitsmodell der Tagesreinigung untersucht und dafür 271 Gebäudereinigungsunternehmen befragt. Die Ergebnisse sind für die gesamte Gebäudereinigungsbranche repräsentativ.
Sie zeigen:
- eine hohe Verbreitung von Reinigung in Randzeiten, also früh morgens, spätnachmittags und abends sowie Tagesreinigung.
- mehr Personalfluktuation in Reinigungsfirmen, in denen die Reinigungskräfte überwiegend in den Randzeiten oder nachts reinigen.
- Tagesreinigung wird als familienfreundlicher erlebt und entspricht den Arbeitszeitwünschen der Mehrheit der Reinigungskräfte.
- Fast 80 Prozent der Gebäudereinigungsunternehmen verbinden mit der Tagesreinigung eine höhere Kundenzufriedenheit.
- Über zwei Drittel der Gebäudereinigungsunternehmen würden die Aufnahme der Anforderung „Tagesreinigung“ in Ausschreibungen und Vergabeverfahren begrüßen.
Die Befunde deuten darauf hin, dass eine Ausweitung der Tagesreinigung den Arbeitskräftemangel in der Branche mindern könnte.

