Ob die Flexibilisierung von Arbeitsorten oder der zunehmende Einsatz von KI – Veränderungen in der Arbeitswelt verändern auch die psychische Belastung bei der Arbeit. Das Themenfeld „Psychische Gesundheit“ im Programm ARBEIT: SICHER + GESUND (ASUG) nimmt die Rolle der Arbeitsgestaltung zur Optimierung der psychischen Belastung in den Blick und sucht nach Lösungswegen, das gemeinsame, zielgerichtete Handeln aller Akteure zu stärken.
Psychische Gesundheit – Hintergrund
Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz – eine Bestandsaufnahme
Psychische Belastung bei der Arbeit
Psychische Belastungen treten in jeder Arbeitstätigkeit auf. Sie sind nicht automatisch schlecht für die Gesundheit: Eine gute Arbeitsgestaltung fördert die Gesundheit, während eine schlechte Gestaltung sie negativ beeinflussen kann. Mit der Gefährdungsbeurteilung kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach, psychische Belastung zu prüfen und die Arbeit so zu gestalten, dass psychische Belastungen optimiert und Ressourcen gestärkt werden.
Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse über den Einfluss arbeitsbedingter psychischer Belastung liegen für Belastungen aus den folgenden Gestaltungsbereichen vor:
- Arbeitsinhalt/-aufgabe
- Arbeitsorganisation
- Arbeitszeit
- Soziale Beziehungen
- Arbeitsmittel
- Arbeitsumgebung
Psychische Belastung
Unter psychischer Belastung wird neutral all das verstanden, was auf unser Befinden einwirkt. Die unmittelbare Auswirkung psychischer Belastung wird psychische Beanspruchung genannt. Ob Belastungen, die tagtäglich auf uns einwirken und uns beanspruchen, eine negative oder positive Wirkung entfalten, ist immer auch vom sozialen Kontext und den individuellen Bewältigungsstrategien abhängig. (Definitionen nach DiNENISO 10075-1)
Die Bereiche müssen so gestaltet werden, dass sich die Belastungen nicht negativ auf die Gesundheit auswirken. Mit den im GDA-Arbeitsprogramm erarbeiteten Empfehlungen zur Berücksichtigung psychischer Belastung in der Gefährdungsbeurteilung wurden Gestaltungsziele zum Schutz vor Gefährdungen durch psychische Belastung konkretisiert. Dabei wurden bestehende Vorschriften, wissenschaftliche Erkenntnisse sowie einschlägige Leitlinien und Ergonomie-Normen berücksichtigt.
Beispiele
(Auszug aus: FBGIB-001: Psychische Belastung bei der Arbeit bleibt eine wichtige Stellschraube für die Gesundheit)
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Arbeitsintensität
Eine hohe Arbeitsintensität begünstigt Erschöpfungssymptome sowie das Auftreten psychischer Störungen (insb. Depression, Angst) bei ärztlichen und pflegenden Berufen in Kliniken. Zudem erhöht Schichtarbeit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
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Übermüdung
Fahrpersonal kann durch sehr lange und unregelmäßige Arbeitszeiten und monotone Fahrsituationen übermüdet sein. Übermüdung ist zudem die zweithäufigste Ursache für schwere LKW-Unfälle.
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Extremereignisse im Bestattungsgewerbe wie tragische Todesursachen erhöhen Indikatoren für psychische Beeinträchtigungen von Personen (emotionale Erschöpfung, kognitive und emotionale Irritation sowie psychosomatische Beschwerden).
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Störungen und Unterbrechungen
Ständige Störungen und Unterbrechungen führen nachweislich zu Fehlern und Missachtung von Sicherheitsregeln. Diese Zusammenhänge sind u. a. für Medikationsfehler in Gesundheitsberufen gut erforscht.
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Emotionsarbeit
Emotionsarbeit, wie zum Beispiel das Zeigen erwünschter Emotionen im Servicebereich (Handel, Gastronomie, Tourismus) geht einher mit mehr emotionaler Erschöpfung.
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Schall-/Lärmbelastung
Für Schall-/Lärmbelastung an Büroarbeitsplätzen gilt, dass der Zusammenhang zwischen Sprachverständlichkeit und Leistung sowie psychischem Befinden als erwiesen angesehen werden kann.
Arbeitsausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen
Psychische Erkrankungen sorgen für viele Arbeitsausfälle und Frühverrentungen. Die Arbeitsunfähigkeit ist dabei meist besonders lang. Trotzdem erfahren sie gesamtgesellschaftlich noch nicht die gleiche Anerkennung wie körperliche Erkrankungen. Die anhaltende Stigmatisierung hat oft zur Folge, dass sich Betroffene eher spät im Krankheitsverlauf Hilfe und Unterstützung suchen.
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147Millionen Arbeitsunfähigkeitstage
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42Prozent der Zugänge zur Erwerbsminderungsrente (Platz 1)
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22Milliarden Euro Produktionsausfallkosten
Quelle: Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Berichtsjahr 2025.
Psychische Erkrankungen bedeuten für die Betroffenen häufig eine lange Leidensgeschichte und beeinträchtigen die Lebensqualität sowie die Teilhabe an Arbeitsmarkt und Gesellschaft. Für die Beschäftigten führt der Ausfall von Kolleg*innen zu zusätzlichen Belastungen und kann wiederum die eigene Psyche beeinträchtigen: Zeitdruck, Überlastung und fehlender Ausgleich beeinflussen die psychische Gesundheit Beschäftigter. Bereits psychisch erkrankte Menschen finden aktuell zu schwer (zurück) in den Arbeitsmarkt – trotz des steigenden Arbeits- und Fachkräftemangels. Gleichzeitig treten psychische Erkrankungen bei arbeitssuchenden Menschen doppelt so häufig auf wie bei Beschäftigten.
Wirtschaftliche Folgen
Die Folgen der hohen Krankenstände und Frühverrentungen betreffen alle Berufszweige und damit auch unsere Wirtschafts-, Gesundheits-, und Sozialsysteme. Dabei entstehen Kosten bei den Krankenkassen für Versorgung und medizinische Rehabilitation sowie bei der Deutschen Rentenversicherung für berufliche Rehabilitation oder Frühverrentung. Neben den beiden Kostenträgern sind noch weitere Instanzen an der Rehabilitation und dem finanziellen Ausgleich beteiligt, wie etwa die Sozial- und Eingliederungshilfe, die Unfallversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit.
Beschäftigte vor ungünstigen Arbeitsanforderungen und psychischer Belastung am Arbeitsplatz zu schützen, ist also im Interesse aller Beteiligten: der Arbeitnehmenden, der Unternehmen und des Staates.
Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Wissenschaftliche Standortbestimmung

Im Jahr 2017 veröffentlichte die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) die erste wissenschaftliche Standortbestimmung zur psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt. Das Forschungsprojekt bündelte den Wissensstand zu psychischen Arbeitsbedingungsfaktoren zur Ableitung von Ansatzpunkten für die menschengerechte Arbeitsgestaltung. Es bewertete die Übertragbarkeit vorhandener Erkenntnisse auf die sich verändernden Arbeitsbedingungen. Zudem identifizierte es Wissenslücken zu psychischen Belastungsfaktoren und -konstellationen sowie deren Wirkungen auf den Menschen. Als wesentliche für die menschengerechte Arbeitsgestaltung wurden folgende Schlüsselfaktoren identifiziert:
- Tätigkeitsspielraum
- Arbeitsintensität
- Emotionsarbeit
- Führung
- Arbeitszeit
Die Ergebnisse des Projekts finden Sie auf der Website der BAuA
Wirksame Prävention in der Arbeitswelt
„Gefahren an der Quelle zu bekämpfen“ lautet eines der zentralen Schutzziele im Arbeitsschutzgesetz (§ 4 Nr. 2 ArbSchG). Der Grundsatz „Prävention vor Reha vor Rente“ leitet die Sozialgesetzgebung, insbesondere im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) als zentrales Gesetz für allgemeines und trägerübergreifendes Teilhaberecht.
Wirksame Prävention in der Arbeitswelt setzt sich zusammen aus:
- der Gestaltung menschengerechter Arbeitsbedingungen (Arbeitsschutz),
- der Förderung der Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten (Gesundheitsförderung),
- dem Erhalt und der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (Rehabilitation),
- der Ermöglichung der Arbeitsfähigkeit (Integrationshilfe).
Unterstützung für Betriebe bieten dabei sowohl die Unfallversicherungsträger (Arbeitsschutz und Prävention), die gesetzlichen Krankenversicherungen (Prävention und Gesundheitsförderung im Betrieb) und die gesetzliche Rentenversicherung (Prävention, Wiedereingliederung und Rehabilitation) sowie die Bundesagentur für Arbeit (Integrationshilfe).
Gemeinsames Ziel der verschiedenen Akteure ist es, die psychische Belastung ihrer Bedeutung entsprechend als Thema in die Systeme und Vorgehensweisen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu integrieren und diese hierfür weiterzuentwickeln.
Im Rahmen des Projekts Psychische Gesundheit – Arbeit – Prävention (PsyGAP) im Programm ARBEIT: SICHER + GESUND (ASUG) wurde eine Übersicht über die vielfältigen Angebote der verschiedenen Sozialversicherungsträger erstellt und für Berater*innen aufbereitet. Der Präventionsguide Psyche bündelt Angebote zu Beratung, Unterstützung, Qualifizierung und Informationen aus den Bereichen:
- Betrieblicher Arbeitsschutz
- Psychisch fit bleiben/ Betriebliche Gesundheitsförderung
- Rehabilitation
- Betriebliche Wiedereingliederung
- Integration in den Arbeitsmarkt
Hier geht es direkt zum Projekt. Der Guide ist Teil des aktuellen Projekts PsyGAP und befindet sich daher in ständiger inhaltlicher Überarbeitung.