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Basisarbeit – Die Debatte

In Debatten über die Zukunft der Arbeit wird den Arbeitsbedingungen von Beschäftigten im „Maschinenraum der Arbeitsgesellschaft“ nur wenig Beachtung geschenkt. Diese Tatsache ins Bewusstsein zu rücken und Handlungsansätze zur Gestaltung sicherer und gesunder Basisarbeit abzuleiten, steht im Zentrum der Debatte im Themenfeld.

In arbeits- und personalpolitischen Debatten erscheinen Schichtarbeit, schweres Heben, grelles Licht, Staub und Lärm wie Themen aus der Vergangenheit. Während der Corona-Krise war das anders: Damals wurde die Systemrelevanz weiter Bereiche der Basisarbeit sichtbar – einschließlich ihrer oft kritischen Arbeitsbedingungen. Viele Menschen klatschten von Balkonen Beifall für Reinigungskräfte, Beschäftigte an Supermarktkassen und Pflegehilfskräfte. Sehr schnell kam anschließend die Forderung auf: „Klatschen genügt nicht!“. Doch was dann? Neben einem gerechten und verlässlichen Lohn sind sichere und gesunde Arbeitsbedingungen wichtige Voraussetzungen für Gesundheit und Motivation im Arbeitsleben.

Die Arbeitsrealitäten im Blick:

Basisarbeit umfasst unterschiedliche Tätigkeiten. Für alle gilt, dass keine abgeschlossene und anerkannte Berufsausbildung erforderlich ist, um diese Tätigkeiten auszuüben. Darüber hinaus weist Basisarbeit weitere Gemeinsamkeiten auf:

  • oftmals geringe Entlohnung und damit auch Alterssicherung
  • hohe physische und psychische Belastung am Arbeitsplatz
  • Arbeit zu ungünstigen Zeiten (Nacht-/Schicht-/Wochenendarbeit)
  • geringe Weiterbildungsmöglichkeiten und Chancen zur Kompetenzentwicklung
  • geringe Handlungs- und Entscheidungsspielräume bei der Arbeit
  • kaum Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf
  • kaum Angebote für Integration und Inklusion
  • kaum Möglichkeiten der Mitsprache und Mitgestaltung
  • nur selten Vertretung durch Betriebsrät*innen
  • häufig tätig in kleineren Betrieben ohne Tarifbindung
  • Arbeitsplatzunsicherheit und Bedrohung des Arbeitsplatzes durch Automatisierung
  • Auslagerung durch Outsourcing und/oder Leiharbeit

Ist Basisarbeit immer prekär?

Auch wenn die Beschäftigungsbedingungen vieler Basisarbeitenden in Bezug auf ihr Einkommen als „prekär“ zu bezeichnen sind, trifft dies keineswegs auf die Basisarbeit insgesamt zu. Insbesondere in Produktions-, aber auch in großen Dienstleistungsbetrieben, die an Tarifverträge gebunden sind, können auch an- und ungelernte Beschäftigte ein angemessenes Einkommen erzielen. Anders sieht es vielfach in Kleinbetrieben des Dienstleistungssektors aus.

Basisarbeit ist von jeher ein fester Bestandteil unserer Arbeitsgesellschaft und wird es voraussichtlich auch in Zukunft bleiben. Prognosen gehen davon aus, dass der Anteil an Tätigkeiten, die von technologischen Assistenzsystemen unterstützt und ohne formale Qualifikation ausgeübt werden können, in Zukunft weiter zunehmen wird. Mit anderen Worten: Basisarbeit wird nicht mehr weggehen, denn die Betriebe werden auch in Zukunft Arbeitsplätze für un- und angelernte Beschäftigte anbieten. Forderungen nach Qualifizierung und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten für Basisarbeitende allein reichen also nicht aus. Sie müssen ergänzt werden um Aktivitäten zur Verbesserung von Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie zur Förderung von Anerkennung, Wertschätzung und Respekt – sowohl in Unternehmen als auch von Kund*innen und Patient*innen.

Handlungsansätze für sichere und gesunde Basisarbeit

Viele Tätigkeiten in der Basisarbeit sind körperlich fordernd, gesundheitlich belastend und mit Verletzungsgefahren verbunden. Neue Technologien können dafür Entlastung schaffen – aber auch zur Leistungsüberwachung eingesetzt werden. Verglichen mit anderen Beschäftigten sind Basisarbeitende überdurchschnittlich oft von ungesunden und unsicheren Arbeitsbedingungen betroffen. Basisarbeit ist oft durch fest vorgegebene Abläufe und eng getaktete Prozesse mit wenig Handlungs- und Gestaltungsspielraum geprägt. Hohe Arbeitsvolumen, Arbeiten auf Abruf sowie Personalengpässe führen oft zu einem Ungleichgewicht von Arbeitsmenge, Aufgabenvielfalt und verfügbarer Zeit. Gleichzeitig fehlen häufig Aufstiegs- und Weiterbildungsoptionen – sowie Möglichkeiten, über die eigenen Arbeitsbedingungen im Rahmen betrieblicher Mitbestimmung mitzuentscheiden. Vielerorts fehlt es an betrieblicher Gesundheitsförderung, ergonomischer Arbeitsplatzausstattung und struktureller Prävention.

Es gibt bereits heute erprobte Werkzeuge, um Basisarbeit menschengerecht zu bewerten und zu gestalten –Die integrierte und praxisnahe Bewertung von Misch- und Mehrfachbelastungen, die charakteristisch für viele Tätigkeiten im Dienstleistungssektor sind, bleibt trotzdem eine zentrale Herausforderung. Die nachhaltige Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit kann nur durch die gleichzeitige Optimierung betrieblicher Arbeitsbedingungen und individueller Präventions-, Qualifikations- und Unterstützungsmaßnahmen erreicht werden.

Dazu gehört die Förderung und Gestaltung sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen von Basisarbeit durch:

  • die Durchsetzung, Kontrolle und Verbesserung des Arbeitsschutzes in Bezug auf Unfälle, Arbeitsumweltbelastungen und arbeitsmedizinische Vorsorge,
  • die Arbeitsgestaltung in Bezug auf die Handhabung schwerer Lasten und ungünstige Körperhaltungen, auf monotone Arbeit, geringe Handlungs- und Entscheidungsspielräume sowie ungünstige Arbeitszeiten, Arbeitsintensität und Zeitdruck,
  • die beteiligungsorientierte Beurteilung der Arbeitsbedingungen und Verbesserung der Interessenwahrnehmung, Beratung und Unterstützung.

Einen Überblick über praktikable Methoden zur Erfassung der Belastung in Basisarbeit wurde im Rahmen der Fachkonferenz „Gesunde Arbeitsgestaltung in der Basisarbeit“ zusammengestellt und diskutiert.

Die Basis der Debatte – „Handlungsrahmen Gute Basisarbeit“

Die aktuellen Aktivitäten im Themenfeld „Basisarbeit“ im Programm ARBEIT: SICHER + GESUND basieren auf der Dialogreihe „Basisarbeit. Mittendrin und außen vor“. Die Reihe eruierte in sechs Etappen die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Beschäftigten in Basisarbeit und entwickelte erste Vorschläge für einen Handlungsrahmen „Gute Basisarbeit“. In Kooperation mit vielen Expert*innen aus Wissenschaft, Politik und Praxis wurden die zentralen Ergebnisse der Dialogreihe in der Buchpublikation „Basisarbeit. Mittendrin und außen vor“ zusammengefasst und im Dezember 2021 veröffentlicht. Hier geht es zu den Etappen der Debatte.

 

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